Am 27.07.2017 erschien Christopher Nolans Werk über die Evakuierung Dünkirchens in den deutschen Kinos.
1940. Ca. 370 000 Soldaten sind in der französischen Hafenstadt Dünkirchen (englisch: Dunkirk) eingeschlossen und warten auf Rettung über die See, in die Heimat nach England. Dabei kämpfen sie gegen deutsche U-Boote, deutsche Luftangriffe und Naturgewalten, wie Ebbe und Flut.
Wie viele Filme es inzwischen über Geschehnisse im zweiten Weltkrieg gibt, kann wohl kaum noch einer zählen. Doch erstmals wagt sich auch Christopher Nolan an die Thematik. Bekannt für die Batman The Dark Knight Reihe, aber vorallem durch seine Filme, die man mehrfach schauen muss, um alle verworrenen Handlungsstränge verstehen zu können. Dazu zählen u. a. Memento Inception und Interstellar. Die Schlacht bzw. die Evakuierung von Dünkirchen während des zweiten Weltkrieges scheint so gar nicht richtig ins Schema zu passen. Doch Christopher Nolan beweist einmal mehr, dass er zu Recht ein Regisseur von Meisterwerken ist.
Dunkirk wartet gleich mit drei Erzählabschnitten auf. Abschnitt 1 „die Mole“ behandelt die eingeschlossenen Soldaten, die am Strand von Dünkirchen auf Rettung durch Schiffe wartet. Abschnitt 2 „die See“ behandelt die von der Marine beschlagnahmten zivilen Schiffe, die zu einer Rettungsaktion starten, da sie weniger Tiefgang im Wasser haben. Abschnitt 3 „die Luft“ behandelt drei Spitfires von der Royal Air Force, die versuchen die deutschen Bomber aus der Luft aufzuhalten, die wiederum versucht haben die evakuierenden Schiffe aufzuhalten. Das interessante an der Erzählweise der drei Abschnitte ist, dass sie parallel erzählt werden, aber unterschiedliche Längen aufweisen. So dauern die Geschehnisse des ersten Abschnitts eine Woche, die des zweiten einen Tag und die des dritten gerade einmal eine Stunde. So kommt es vor, dass zwischen den Perspektiven hin und her geschnitten wurde und bei den einen Tag und bei den anderen Nacht ist. Gerade diese verworrene Erzählweise, die wieder so typisch für Nolan ist, lässt den Film niemals an Spannung nachlassen. Durch Überlappungen der Abschnitte kommt es nämlich zu Wiederholungen in der Geschichte, von der man zunächst denken könnte, dass es sich um neue handelt.
Dunkirk zeichnet sich auch dadurch aus, dass der gesamte Film mit sehr wenig Dialogen daher kommt. Die Musik von Hans Zimmer ist der ständige Begleiter des Films und auch Zimmer beweist hier einmal mehr, dass er ein Meister auf seinem Fachgebiet ist. Allein der Einsatz von Geigen in einer der Anfangsszenen erzeugt so viel Spannung, obwohl von der Handlung her noch wenig passiert, dass man als Zuschauer permanent an den Kinosessel gefesselt wird. Auch zeigen die Bilder genug, um den Film mit so wenig Dialog auskommen zu lassen.
Dadurch kommt der zweite sehr positive Effekt von Dunkirk zu stande. Im Gegensatz zu anderen Kriegsfilmen, die die reine Brutalität eines Schlachtfeldes einfangen, wie zuletzt beispielsweise Hacksaw Ridge, verzichtet Nolan hier auf blutige Schlachtdarstellung. Dennoch kommt es an keiner Stelle zur Romantisierung des Krieges, was viele Kritiker im Vorfeld des Films befürchtet hatten. Denn Dunkirk zeigt die brutale Realität, verzichtet dabei aber auf die blutigsten Darstellungen. Stattdessen kämpfen die Soldaten in Dunkirk gegen einen praktisch unsichtbaren Feind. Es sind die plötzlich auftauchenden Bomber am Himmel, oder die aus dem nichts kommenden Torpedos, die als ständige Gefahr präsent sind. Und es ist die nackte Angst, die den Soldaten fast durchgehend ins Gesicht geschrieben ist, die den Krieg so real macht.
Nummer 3, warum Dunkirk so gut geworden ist, ist wohl die Tatsache, dass er fast durchgehend auf Helden und Patriotismus verzichtet. Lediglich Tom Hardys Figur scheint den typischen Helden zu mimen. Ansonsten wird der Film aus Sicht von dem typischen Durschnittsssoldaten gezeigt, der eigentlich viel zu jung und unerfahren ist und aus Sicht von Zivilisten, die mehr oder weniger in den Krieg mit reingezogen wurden.
Und so kommt in Dunkirk einfach alles zusammen. Eine realistische, aber unblutige, Darstellung der Ereignisse, kaum Patriotismus, realistische Charaktere, eine durchgehende Spannung, die an keiner Stelle nachlässt, drei verschiedene Handlungsabschnitte, die den Krieg aus verschiedenen Sichten darstellen und das ganze zusammen mit durchgehend guten schauspielerischen Leistungen.
Dunkirk macht praktisch fast alles genau richtig. Über kleinere Details kann man sich immer streiten, aber Dunkirk ist auf jeden Fall eine große Sehempfehlung. Dafür gibt es 09 von 10 möglichen Punkten.
Mir ist aufgefallen, dass ich bei meiner Kritik vergessen habe, zu erwähnen, dass ich es auch gut fand, dass es keine blutigen Szenen gab, keine abgerissenen Gliedmaßen etc. Gut, dass du das tust!
Kleine Anmerkung: du hast bei den Fliegern einen „Tag“ statt einer „Stunde“ geschrieben. Genau das war mir auch passiert! 😉
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Ja die kleinen Schusselfehler… Danke für den Hinweis!
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Als sein größter Fan werde ich wohl trotzdem besser darauf verzichten.
Wenn ich mir Punkt 2 und 3 so anschaue, magst du „Saving Private Ryan“ vermutlich überhaupt nicht? 😀
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Ich fand den Film auch wirklich sehr gut und er hat dank seiner überaus treffenden Bildsprache einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen (meine Rezension ist gerade er online gegangen). Allerdings kann ich mir auch gut vorstellen, dass der Film nicht nur auf Gegenliebe stoßen wird.
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