Willkommen in der Cinemathek, heute mit: The Salesman. Der Film erschien urspünglich ab dem 02.02.2017 in den deutschen Kinos.
Emad und Rana brauchen eine neue Wohnung und bekommen eine von einem Bekannten aus ihrer Theatergruppe vermittelt. Alles scheint friedlich, bis Rana eines Abends überfallen wird. Emad findet heraus, dass die Vormieterin oft Herrenbesuch hatte und sich ein Freier wahrscheinlich bei den Frauen vertan hat. Während Rana mit den psychischen Nachfolgen beschäftigt ist, versucht Emad Selbstjustiz zu üben.
Der iranische Film The Salesman war 2017 für den besten fremdsprachigen Oscar nominiert, dem Regisseur Asghar Farhadi wurde aber durch Präsident Trumps Dekret die Einreise verwährt. Nach vielen Protesten wurde eine Ausnahme gemacht, doch Farhadi wollte nun nicht mehr zur Verleihung erscheinen. Dabei gewann sein Film sogar die Kategorie.
In The Salesman spielen die beiden Protagonisten Emad und Rana mit ihrer Theatergruppe das Stück „Tod eines Handlungsreisenden“ – im Original „Death of a Salesman“ – von Arthur Miller. Emad ist ein beliebter Lehrer und lebt in einer sehr harmonischen Beziehung mit Rana. Durch Aushöhlungsarbeiten auf dem Nachbargrundstück, müssen beide ihre Wohnung aufgeben, da das Haus als Einsturzgefährdet gilt. Da sie nun schnell eine neue Wohnung brauchen, kommt ihnen das Angebot von einem Theaterkollegen ganz recht, der von einer frisch freigewordenen Wohnung weiß. So ziehen Emad und Rana dort ein, auch wenn sie sich ärgern, dass noch der Hausrat der Vormieterin ein Zimmer versperrt. Alles verläuft harmonisch, bis Rana eines Abends alleine in der Wohnung ist. Als es klingelt, glaubt sie, dass es sich um Emad handelt und öffnet die Tür. Als Emad schließlich wirklich nach Hause kommt, findet er zerbrochenes Glas und viel Blut im Badezimmer Rana trifft er schließlich mit einer Kopfwunde im Bad an. Die Nachbarn, die Ranas Schreie gehört hatten, hatten sie ins Krankenhaus gebracht und erzählten Emad nun zum ersten Mal von der Vormiterin. Diese scheint nämlich sehr viel „Herrenbesuch“ gehabt zu haben. Während Rana darauf besteht, die Polizei nicht anzurufen, möchte Emad Gerechtigkeit für seine Frau. So verrennt er sich in Selbstjustiz, während Rana ihn eher bräuchte, um die psychischen Nachfolgen zu verarbeiten.
Asghar Farhadi kreiert mit The Salesman einen sehr langsam und ruhig erzählten Film. Er gibt dem Zuschauer am Anfang genügend Zeit, um sich aus seiner eigenen Sichtweise zu lösen und im Iran des 21. Jahrhunderts anzukommen. Auch gewährt er Zeit, um sich von den Vorurteilen zu lösen und sich auf die eigentliche Geschichte einzulassen. Durch die Theaterproben wird immer wieder ein roter Faden gezogen. Erst nachdem man mit allen Figuren bekannt gemacht wurde, wird Rana angegriffen. Dabei wird die Vergewaltigung angedeutet, aber niemals ausgesprochen. Ebenso wird bei der Vormieterin angedeutet, dass es sich um eine Prostituierte handele, aber das Wort selbst fällt nie. So bleibt die Interpretation der Handlung und Reaktionen dem Zuschauer vorbehalten. Rana entscheidet sich bewusst, nicht zur Polizei zu gehen, weil sie dort nicht über das Geschehene sprechen mag. Dies ist gut nachvollziehbar, auch ihre darausfolgende Angst vor dem Alleine in der Wohnung bleibens. Emads Verhalten ist daraufhin weniger nachzuvollziehen. Denn anstatt sich richtig um Rana zu kümmern und ihre Ängste und Sorgen nachzuvollziehen, verrennt er sich in seiner Selbstjustiz.
The Salesman punktet durch seine vielschichtige herangehensweise an das Thema einer möglichen – da immer nur angedeuteten – Vergewaltigung. Er befasst sich zum einen mit den Folgen für Rana als auch mit dem Umgang im direkten Umfeld. Emad als Mann wird beleuchtet, ebenso wie die Schauspielkollegen und die Nachbarn. Hier hebt er sich stark von vergleichbaren Filmen ab, wie beispielsweise der im gleichen Jahr erschienene französische Film „Elle“. Auch wird hier auf plakative Szenen, wie die offene Vergewaltigung verzichtet. Rana wird nicht direkt in die Opferrolle gedrängt, indem sie heulend und schluchzend sich unter einem Vergewaltiger windet, sondern nur passiv, da sie sich immer wieder für ihre Entscheidung nicht zur Polizei zu gehen rechtfertigen muss.
Andererseits kämpft The Salesman an vielen Stellen mit seiner ruhigen Erzählweise. So kann dem Zuschauer die Bedeutung einiger Szenen abhanden kommen, da sie im gleichen Ton erzählt werden, wie die unwichtigeren Einleitungsszenen. Auch hat die Synchronisation den Haken, dass viele Dialoge im O-Ton wahrscheinlich Sinn ergaben, in der deutschen Synchronisation aber sehr witzig herüberkamen, da solche Formulierungen für uns sehr untypisch sind.
Alles in allem ist The Salesman ein ruhiger Film mit einem schwierigen Thema, der die Balance nicht immer halten kann. Nach Sichtung des diesjährigen Oscargewinners als bester fremdsprachiger Film, halte ich Unter dem Sand immer noch für den besseren Kandidaten. The Salesman erhält 06 von 10 möglichen Punkten.
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Für mich war „Toni Erdmann“ der erste Kandidat auf den Oscar. Aber „The Salesman“ ist unbestreitbar ebenfalls ziemlich sehenswert.
Ich gehe übrigens konform mit deiner Sichtweise, das der Film zu ruhig ist, vor allem in Anbetracht der Tatsache, das Emad ja ziemlich offensiv auf Rache aus ist, es aber selbst im Finale nicht konsequent auslebt…
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