Cinemathek: Schachnovelle

Ich erinnere mich, dass die Schachnovelle zu Schulzeiten mal in der Auswahl für die Lektüre im Deutschunterricht stand. Wir hatten uns dann aber mehrheitlich für Dürrenmatts Der Richter und sein Henker entschieden. Seitdem steht die Schachnovelle noch auf meiner Klassikerliste der Schande. Nachdem ich den Film im Kino leider verpasste, freute ich mich umso mehr, dass er ins Cinemathekprogramm aufgenommen wurde. Ob meine Freude darüber berechtigt war, erfahrt ihr in meinem heutigen Beitrag.

Die Handlung

Dr. Josef Bartok (Oliver Masucci) ist ein angesehener Notar in Wien. Als die Nazis in Österreich die Macht übernehmen, wird es für ihn brenzlig, denn er verwaltet das Vermögen einiger adliger Österreicher. Bevor er flüchten kann, wird er von den Nazis in Gewahrsam genommen. Da er die Zugangsziffern zu den Konten verbrannt hat, wird er in die Sonderbehandlung geschickt, um ihn zu brachen und die Ziffern von ihm aus seinem Gedächtnis zu bekommen.

Meine Meinung

Bei dem Titel Schachnovelle denkt man natürlich zuerst an das Spiel, was hier auch eine große Rolle einnimmt. Aber es gibt noch ein wesentlich zentraleres Thema: Zeit. Und die vergeht in dem Film ganz unterschiedlich schnell. Denn die Sonderbehandlung ist nichts anderes als vollständige Isolation. Kein Zeitgefühl, ständiges Alleinsein, nichts, um sich abzulenken. Und so sind auch die Zuschauenden komplett allein mit Masucci und seinem Schauspiel des langsamen Verrücktwerdens.
Zunächst ist davon jedoch nichts zu spüren. Wir lernen Dr. Josef Bartok als gutgelaunten und gutbetuchten Mann kennen, seine Frau und seinen Umgang. Die Bedrohung durch Nazideutschland ist zwar da, wirkt aber völlig weit weg. Doch dann wendet sich das Blatt von einem auf den anderen Moment. Und nicht nur Bartok sitzt in seiner Sonderbehandlung, sondern eben auch wir Zusehenden mit ihm. Ab hier ist es ein ständiger Wechsel zwischen zwei Erzählsträngen, wobei die zeitliche Einordnung hier immer wieder durcheinander kommt, was aber beabsichtigt ist. Während dies am Anfang noch ganz gut funktioniert, dehnt sich die Zeit danach gefühlt immer weiter aus und gerade das letzte Drittel zieht sich dann immer mehr.
Das liegt vor allem daran, dass der Geisteszustand von Bartok immer weiter leidet und wir damit unsere Bezugsperson immer weiter verlieren, da die Erzählungen aus seiner Sicht immer unzuverlässiger werden. Gerettet wird der Film dennoch von Martuccis einmaligem Spiel, wo er wieder einmal beweist, dass er völlig in seiner Rolle aufgehen kann und auch das ansonsten schwierige Beinahe-Ein-Personen-Kammerspiel wunderbar meistern kann. Das Ganze wird zwar versucht durch die zweite Zeitebene aufzubrechen, doch auch da beginnt sich die Zeit zunehmend zu ziehen.
So ist die Schachnovelle schon eine gelungene Umsetzung des Stoffes, schafft es aber nicht völlig die sehr gleichbleibende Handlung darzustellen, ohne im letzten Drittel ein paar Längen auszulösen. Dennoch auch kein Film für schwache Nerven. 

Das Fazit

Schachnovelle bietet eine gute Umsetzung des Stoffes trotz kleiner Längen am Ende. Vor allem Oliver Masucci überzeugt hier einmal mehr durch sein wandelbares Spiel. Dafür gibt es 06 von 10 möglichen Punkten.

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Er ist wieder da

Am 08.10.2015 erschien die Buchverfilmung in der Hitler sich im Jahr 2014 wiederfindet in den deutschen Kinos.

Kurz zur Story: 1945 hat Hitler laut Geschichtsbücher Selbstmord begangen. 2014 findet er sich verwirrt und desorientiert in Berlin wieder. Verwirrt und in seiner Uniform stolpert er durch die Stadt, die gar nicht mehr durch den Krieg zerstört ist. Nachdem er Unterschlupf bei einem „Zeitungskrämer“ fand, wird er schnell für einen Hitler-Darsteller aus dem Comedy-Bereich gehalten und einem großen Sender vorgeschlagen. Dabei wird er schnell zum Phänomen und findet immer mehr Anhänger.

Darf man darüber lachen, wenn Hitler einmal mehr die Massen für sich einnimmt? Mit dieser Frage beschäftigt man sich durchgehen, wenn man den Film sieht. Und in den Passagen, die auf dem Buch basieren, fällt einem das auch leicht. Das ist Satire, da lacht man ganz locker. Aber der Film basiert nicht nur auf einem Drehbuch. Vor den eigentlichen Dreharbeiten fuhr das Team mit Oliver Masucci in seinem Hitler-Outfit kreuz und quer durch Deutschland und befragte die Menschen, die ihm gegegnet sind. Dabei musste Masucci gar nicht so viel machen, nur ein paar Fragen hier, ein paar zustimmende Kommentare da und der Rest war mitunter ein Selbstläufer. Dabei kamen teilweise echt erschreckende Aussagen zu Tage, die im Film schonungslos wiedergegeben werden und einem das Lachen im Halse stecken bleibt. Ansonsten wird man köstlich amüsiert. Hitler, der in unserer Zeit wieder auftaucht und völlig verwirrt ist. Drei Jungs finden ihn, die gerade für eine Dokumentation beim Fußball spielen gefilmt wurden. Im ersten Moment ist Hitler nur verwirrt, weil keiner der drei die Uniform der Hitlerjugend trägt. Doch herauszufinden, dass er im Jahr 2014 aufgewacht ist, haut ihn dann doch erst einmal um. Schnell trifft er auf den Freiberufler und vom Sender „MyTV“ gefeuerten Sawatzki, der in ihm seine Chance sieht, um seine Anstellung zu erneuern. Geld und Auto von Mutti geliehen, geht es durch Deutschland. Hier treffen sie auf besorgte Bürger, die sich endlich mehr Demokratie wünschen und dabei Herrn Hitler immer wieder zustimmen. Mit diesen Ergebnissen wenden sich Hitler und Sawatzki an den Sender. Die positiven Stimmen, die ihn als den kommenden Star sehen, teilen jedoch nicht alle. Trotzdem bekommt er einen Auftritt in einer Sendung, in der er sich aber einfach nicht an den vorgeschriebenen Text halten will. Es folgen immer mehr Auftritte, in bekannten Shows, wie Circus Halligalli, Hitler wird zum Youtube-Phänomen und begeistert schnell die Massen. Aber hatten wir das nicht schon einmal?
Der Film weicht immer wieder vom Buch ab. Aber selbst wenn man das Buch gelesen hat, empfindet man es nicht als störend. Denn es wurde zum einen modernisiert, in dem wirklich die aktuellen Medien genutzt werden. Bekannt YouTuber, wie Joyce Ilg und Robert Hoffmann kommentieren das Phänomen Hitler. Hitler tritt auf in Shows, wie Circus Halligalli und Hart aber Fair. Es werden anstatt gespielte besorgte Bürger, Bürger von der Straße genommen. Nur das Ende stört das Filmvergnügen. Während es im Buch ziemlich offen gelassen wurde, bedient sich der Film der Holzhammer Methode. Anscheinend vertraut er dem Reflektierprozess der Zuschauer nicht und muss noch einmal klarstellen, dass er Hitlers-Taten und Vorhaben nicht gut heißt und das Hitler der Bösewicht im Film ist. Aber während man während der Endszenen nur die Augen verdreht, behält der Abspann jedoch wieder einen bitteren Nachgeschmack.
Der ganze Film lebt von der Schauspielleistung Oliver Masuccis als Hitler. Vorab fragte man sich vielleicht, warum nicht die bekannteren Darsteller, die sich bereits als Hitler-Darsteller bewährt haben, genutzt wurde. Aber im Film denkt man sich, dass es mit den bekannten Gesichtern nicht so authentisch herübergekommen wäre.

Alles in allem macht der Film Laune, jedoch mit einem etwas bitteren Nachgeschmack. Dafür gibt es 07 von 10 möglichen Punkten.